Der 100.000 Euro-Deal: Baugeld für alle – oder doch nicht?
In Wien wird einer der größten Förderdeals aller Zeiten für Neubauten diskutiert. Bis zu 100.000 Euro soll die Bundesregierung gemäß einem Vorschlag von Gewerkschaft und Unternehmen den Privathaushalten zukommen lassen, die erstmalig neu bauen oder einen Neubau erwerben. Doch was hat es damit im Detail auf sich? Was sagen ÖVP und Grüne?
Wir geben die Antworten.
Zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen – Wohnraum schaffen und Baubranche retten
Die Wohnungssituation in Österreich, nicht nur in Wien, ist angespannt. Bezahlbarer Wohnraum fehlt landauf, landab. Die folgende Übersicht zeigt die durchschnittlichen Preise je Bundesland:
BUNDESLAND | QUADRATMETERPREISE WOHNUNGEN | QUADRATMETERPREISE HÄUSER | QUADRATMETERPREISE BAUGRUND |
---|---|---|---|
Burgenland | €2.105 | €1.639 | 68 |
Kärnten | €2.960 | €2.041 | 62 |
Niederösterreich | €3.100 | €2.041 | 84 |
Oberösterreich | €3.113 | €2.630 | 87 |
Salzburg | €4.630 | €4.776 | 266 |
Steiermark | €2.787 | €2.106 | 57 |
Tirol | €4.573 | €4.660 | 261 |
Vorarlberg | €5.082 | €4.910 | 522 |
Wien | €4.905 | €5.542 | 522 |
Österreich | €3.889 | €2.578 | 84 |
Quelle: Statistik Austria 2022 |
Quelle: immoverkauf.at
Dass Wien teilweise im fünfstelligen Bereich bei den Quadratmeterpreisen liegt, ist hinlänglich bekannt, geht aber bei der Durchschnittsbildung unter.
Laut krone.at ist der Neubau dramatisch eingebrochen. Statt der zuletzt erstellten 62.000 neuen Einheiten rechnen Wirtschaftskammer und Gewerkschaft mit einem Rückgang auf 46.400 Wohnungen in 2026. Neben einer Verschärfung der Situation auf dem Wohnungsmarkt bedeutet dieser Rückgang aber auch eine Gefahr für die rund 310.000 Arbeitsplätze in der Baubranche. Steigende Zinsen und bedingt durch den Ukraine-Krieg explodierte Rohstoffpreise haben den Traum vom Eigenheim oder einer neuen, eventuell größeren Wohnung, für viele Durchschnittsverdiener platzen lassen. Der “Baupakt” aus Wirtschaft und Gewerkschaft fordert daher signifikante Maßnahmen seitens der Regierung, um die Situation am Wohnungsmarkt und für die Bauwirtschaft zeitnah zu entschärfen.
Immobilienkredit Vergleich im Oktober 2024 in Österreich
Die Situation in der Immobilienbranche
Die Zahlen rund um den Immobilienneubau deuten alle nach unten.
2019 | 2022 | 2023 | 2024 | |
Baubewilligungen | 70.000 | 47.000 | 43.000 | |
Investitionen in Euro | 38,1 Mrd | 36,6 Mrd | ||
Arbeitslose im Bau | 61.000 | 66.000 |
Quelle: derstandard.at
In kaum einer Branche wie dem Immobiliensektor sind das Arbeitsplatzrisiko und der “Produktmangel” so verknüpft, wie in diesem Fall.
Das Förderkonzept – eine einfache Idee
Die Umsetzung für die vorgeschlagene Förderung ist extrem einfach gehalten. Sie verzichtet auf die üblichen steuerlich unterlegten Komponenten und sieht eine direkte Auszahlung der Fördermittel vor.
Privathaushalte, die erstmals eine Immobilie erstellen lassen oder eine Eigentumswohnung für den Erstbezug erwerben, werden mit 20 Prozent der Gestehungskosten respektive des Kaufpreises, maximal 100.000 Euro, unterstützt.
Unterstützung heißt in diesem Fall, dass es sich weder um ein zinsgünstiges Darlehen noch um Annuitätenzuschüsse handelt, sondern um ein klassisches “Geschenk”. Der Staat schenkt den infrage kommenden Personen bis zu 100.000 Euro. Damit steigt automatisch der Eigenkapitalanteil der Bauherren, was wiederum eine erhöhte Darlehensquote ermöglicht. Flankiert wird diese Option auch von der Überlegung, die strikten Vorgaben zur Kreditvergabe zu entschärfen.
Das Thema “Förderung durch Steuererleichterung” lehnt der Vorsitzende der IG Bau-Holz und SPÖ-Politiker Muchitsch ab. „Der Bundeskanzler [Karl Nehammer] schlägt eine Mehrwertsteuerrückerstattung bei Eigenheim von 20 Prozent vor. Was aber wenig Sinn macht, weil die Leute brauchen das Geld, bevor sie zu bauen beginnen und nicht erst später, wenn das Bauprojekt abgeschlossen ist“. (Quelle: heute.at)
Wie dringend die Förderung ist, zeigt sich daran, dass Muchitsch kein Problem damit hat, dass auch einkommenskräftigere Personen von der Förderung profitieren.
Für Bauträger soll es ebenfalls weitere Förderungen geben, diese allerdings unter steuerlichen Aspekten. Es wird aktuell angedacht, die bisherige lineare Abschreibung von neu errichteten Gebäuden in Höhe von 1,5 Prozent zu modifizieren. Der Vorschlag lautet, von einer linearen auf eine degressive Abschreibung zu wechseln und somit in den ersten Jahren nach Fertigstellung höhere steuerliche Vorteile zu ermöglichen.
Regierung mit eigenen Ideen
Die Regierung in Wien hat jedoch ganz offenkundig Probleme mit dem Vorschlag der Sozialpartner. Sie möchte, wie am 27. Februar 2024 bekannt wurde, weiter an einer Subvention über die Steuer festhalten, auch wenn die Aussage von Muchitsch, die Menschen benötigen das Geld vor Baubeginn, Hand und Fuß hat.
ÖVP und Grüne haben sich laut kleinezeitung.at darauf verständigt, folgende Positionen zu klären:
- Steuerliche Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen beim Kauf der ersten eigenen Immobilie.
- Gedeckelte Abschaffung der Nebenkosten
- Gedeckelte Streichung der Grunderwerbsteuer
Leider scheine die steuerlichen Komponenten die heilige Kuh der Politiker zu sein, die einfach mehr Reiz, aber dafür weniger Sinn ausstrahlt als der einfache und schlanke Lösungsvorschlag von Arbeitgebern und Gewerkschaft.